___________art is about buttons
Bern, 13.9.2011
Lieber Ruedi
noch ein Nachtrag aus der Kapitale der Welt zu deiner Mail von gestern. Inspiriert durch einen Artikel im Bund von heute hier einige Gedanken zum Thema Buchschreiben (oder eben nicht), mit dem du dich beschäftigst.
Im Kunstmuseum Bern läuft ab heute eine Ausstellung mit Bildern aus der Hermann Rupf-Stiftung. Erinnerst du dich an das Mercerie-Geschäft Hossmann & Rupf in Bern, das sich auf Postamente, Handschuhe und Knöpfe spezialisierte und den Sitz in Bern am Waisenhausplatz 1 hatte? Der Titel des Artikels im Kleinen Bund lautet: "Mit Hosenknöpfen zu den Fauves" weil der Hermann Rupf nämlich bei seinen Einkaufstouren in Paris nicht nur Strümpfe, Handschuhe und Knöpfe einkaufte, sondern anschliessend Galerien von zum Teil noch unbekannten Künstlern besuchte und zeitgenössische Werke für die eigene gute Stube im Brückfeld anschaffte (Braque, Picasso, später Klee).
Und was hat das nun mit meinem Thema Buchschreiben (oder nicht) zu tun, willst du wissen. Der Artikel hat mich erinnert an Alfred Andersch und sein Lesebuch, das ich mit Begeisterung in den 90er Jahren gelesen habe. Ein Lehrbuch der Beschreibungen, heisst es im Untertitel und der Titel des Vorworts (von 1977)lautet: "Art is about buttons". Dieses Motto, das er einem walisischen Literaturgelehrten zu verdanken hat, hatte Andersch seinem Buch "Mein Verschwinden in Providence" vorangestellt. So habe ich „Mein Lesebuch“ von Andersch - mit inzwischen kräftig vergilbten Seiten - wieder in Betrieb genommen. Da steht im Vorwort: "Im deutschen Sprachraum wusste man mit der Behauptung, die Kunst handle nicht von Abstraktionen, letzten Fragen, Unendlichkeit und Ewigkeit, sondern von Knöpfen, schlechterdings nichts anzufangen...Aber die Dinge (im weitern Sinn auch Menschen), entziehen sich jedem Idealismus, sie sind. Daher meine Vorliebe für die Beschreibung. Es gibt nur eine Literaturform, die an Bedeutung die Beschreibung überragt: Die Erzählung. In vielen Fällen geht die Erzählung wie von selbst aus der Beschreibung hervor."
Also lieber Ruedi, Platten am Velo, Anstehen in der Bank, Typhussymptome, Busfahrten... schreib mal so weiter, auch das Buch folgt aus der Beschreibung folgt aus der Erzählung wenn es will, mach dir keine Gedanken zum Buchschreiben (oder nicht).
fridolin&frizzley
17.9.2011, Tanzania
lieber fritz
welch ein zusammentreffen: ich lese canetti, "die blendung". da
fantasiert, der bei bedarf blinde bettler, dass er ein riesiges
warenhaus eröffnen wird mit 90 verkäuferinnen, alle mindestens 90 kg
schwer. im warenhaus gibt es alles, aber auch alles zu kaufen,
ausgenommen KNÖPFE. in allen schaufenstern hängen grosse plakate HIER GIBT ES KEINE KNÖPFE ZU KAUFEN. von knöpfen hat er nämlich genug, der bettler, zuviele sind in seiner hohlen hand gelandet.
und jetzt erinnere ich mich, dass ich etwa anno 1967 oder 68 vom nebelspalter dank einem knopf einen ladenhüter geschenkt erhielt. es war die zeit der protestknöpfe. und der aufkommenden, noch umstrittenen antibaby pille. einzusenden waren vorschläge zum thema "welcher protestknopf für wen?" ich schrieb: JA KEIN KNOPF für befürworterInnen der pille.
knöpfe haben es in sich. art is about buttons because they have it in themselves. was andersch sonst noch meint, gefällt mir: beschreibung, die zur erzählung werden kann.
andersch: der hat doch "sansibar oder der letzte grund" geschrieben. als jung gelesen und vergessen, doch sansibar hab ich jüngst gesehen und nicht vergessen. dies umso weniger, als vor einer woche etwa 200 fährpassagiere vor sansibar den letzten grund gefunden haben.
Liebe Grüsse
Ruedi
